Politik

„Sea-Watch 3“-Kapitänin Rackete verteidigt sich

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Bundespräsident Steinmeier kritisiert italienische Behörden

Quelle: Reuters
1:11 Min.

Eine deutsche Kapitänin bringt 40 Migranten unerlaubt nach Italien. Ist sie kriminell oder beispiellos menschlich? Der jüngste Rettungseinsatz der Organisation Sea-Watch scheint niemanden kaltzulassen.

Die Kapitänin des Rettungsschiffs „Sea-Watch 3“, Carola Rackete (31), hat ihre Entscheidung verteidigt, aufgrund einer Notlage unerlaubt in den Hafen von Lampedusa zu fahren.

„Ich befürchtete Suizide“

„Die Situation war hoffnungslos. Und mein Ziel war es lediglich, erschöpfte und verzweifelte Menschen an Land zu bringen“, sagte Rackete über ihre Anwälte der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“. „Ich hatte Angst und befürchtete Suizide.“ Bereits vor dem Anlegemanöver hatte sie berichtet, dass die Situation an Bord außer Kontrolle zu geraten drohe; es sei ihre seemännische Pflicht, für Sicherheit zu sorgen, indem sie Land ansteuere.

Rackete hatte von Italien ein Verbot bekomme, auf Lampedusa anzulegen. Dennoch befuhr sie italienische Hoheitsgewässer und steuerte nach tagelanger politischer Auseinandersetzung in der Nacht zu Samstag den Hafen an. Ein Schnellboot der Küstenwache legte sich in den Weg und wurde von der „Sea-Watch 3“ an die Kaimauer gedrückt. Eine brenzlige Situation – darum wird Rackete nun auch vorgeworfen, dass sie das viel kleinere Boot zum Kentern bringen wollte.

„Ich hatte nicht die Absicht, irgendjemanden in Gefahr zu bringen, ich habe mich bereits entschuldigt und bitte erneut um Entschuldigung“, sagte die in Kiel geborene Kapitänin, der nun mehrere Anklagen drohen – unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Migration.

Steinmeier kritisiert Italiens Behörde

In Deutschland sorgte die Festnahme für Kritik. Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf riefen per YouTube-Video zu Spenden für Sea-Watch und Carola Rackete auf. Der italienische Innenminister Matteo Salvini erhob dagegen schwerste Vorwürfe gegen die Organisation. In Vergessenheit geriet dabei fast, dass die Migranten nach mehr als zwei Wochen auf dem Mittelmeer in kritischer Verfassung waren.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die italienischen Behörden wegen Racketes Festnahme kritisiert. Es könne ja sein, dass es italienische Rechtsvorschriften gebe, wann ein Schiff einen Hafen anlaufen dürfe. „Nur: Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründungsstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht“, sagte Steinmeier laut einem Bericht von zdf.de im Sommerinterview des Senders.

Der Bundespräsident forderte in dem Gespräch, das am Sonntag um 19.10 Uhr ausgestrahlt werden sollte, laut ZDF eine europäische Antwort auf den Zustrom von Flüchtlingen über das Mittelmeer. Sollte sich die Situation in Nordafrika nicht beruhigen, werde dieser weitergehen. „Da muss mehr geschehen, da muss Europa eine kräftigere Rolle spielen.“

  • Nach Festnahme der Kapitänin

    Böhmermann und Klaas sammeln Spenden für Rackete

    Hilfsaktion für die festgenommene deutsche Kapitänin Carola Rackete! Böhmermann und Klaas rufen online dazu auf, zu spenden!

Nach 17 Tagen auf See lagen die Nerven bei der Crew und den Geretteten blank: Die Odyssee der „Sea-Watch 3“ hatte am 12. Juni begonnen, als die Seenotretter der deutschen Hilfsorganisation vor Libyen 53 Bootsflüchtlinge an Bord nahmen. Wenige Stunden zuvor hatte das Kabinett in Rom sich auf eine drastische Verschärfung der Regeln für die Helfer verständigt. Ein umstrittenes Sicherheitsdekret stellt das unerlaubte Einfahren privater Schiffe in Italiens Gewässer unter hohe Geldstrafe.

Vater hofft auf Freilassung auf Kaution

Der Vater der Kapitänin, Ekkehart Rackete (74), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ich gehe davon aus, dass sie gegen Auflagen oder Kaution bis zum Prozessbeginn freikommt.“ Zuletzt habe er am Sonnabend mit seiner Tochter telefoniert. „Sie ist lustig und guter Dinge“, sagte er. „Sie steht unter Hausarrest in Lampedusa und ist bei einer sehr netten Dame untergebracht, die sich rührend um sie kümmert.“

„Ich bin nicht in Panik oder voller Sorge um meine Tochter“, sagt Ekkehart Rackete weiter. „Sorgen habe ich mir gemacht, als sie durch China getrampt ist und auf der chinesischen Mauer gezeltet hat.“

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