Politik

Durchbruch im Brexit-Poker?

0

Kurz vor entscheidender Abstimmung im Briten-Parlament macht die EU Premierministerin May Zugeständnisse – Heute neuer Krimi in London

Quelle: Reuters
1:05 Min.

Die Brexit-Nachverhandlungen mit der EU liefen am Ende überraschend erfolgreich für Theresa May: Die britische Regierung hat nach einer Reise der Premierministerin nach Straßburg „rechtlich verbindliche“ Änderungen am Austrittsabkommen erzielt.

Doch wird das für Theresa May reichen, um heute ihren Brexit-Deal mit der EU durch das britische Parlament zu bekommen? Bis gestern sah es so aus, als würde May diese Abstimmung klar verlieren – wie schon bei ihrer historischen Niederlage im Januar.

Jetzt, da Theresa May ein verbessertes Angebot vorlegen kann, scheint der Ausgang der Abstimmung ungewiss. Oppositionsführer Jeremy Corbyn rief aber trotz der EU-Zugeständnisse dazu auf, gegen den Austrittsvertrag zu stimmen.

EU-Kommissionspräsident Juncker hingegen beschwor das britische Parlament, dem Austrittsvertrag jetzt zuzustimmen. „Es wird keine dritte Chance geben“, sagte der EU-Kommissionspräsident. Er zeigte sich sicher, dass das Austrittsabkommen noch rechtzeitig vor dem Brexit-Datum 29. März ratifiziert werden könne.

Auf Twitter lud Juncker eine Erklärung hoch, schrieb dazu: „Es wird dieser Deal, oder der Brexit könnte gar nicht stattfinden“.

„Ich hoffe, dass dieser zugegebenermaßen kleine, aber vorhandene Schritt dazu beiträgt, dass May die Zustimmung im Unterhaus kriegt“, sagte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz im Deutschlandfunk. Alles andere bringe die EU gefährlich nahe an das Brexit-Datum, ohne ein Austrittsszenario fertig zu haben.

Alle reden vom „Backstop“…

Im Kern hat die EU den Briten jetzt zugesichert, dass sie nicht dauerhaft am sogenannten „Backstop“ festhalten wird sondern bis Dezember 2020 Alternativen dazu gefunden werden. Heißt: Er wird nicht zwangsläufig greifen. Im Zuge dieser Vereinbarung soll es neue Dokumente und Erklärungen geben, erklärten May und Juncker am Montagabend gemeinsam.

Der „Backstop“ ist der Knackpunkt schlechthin der gesamten Brexit-Verhandlungen: Er sieht vor, dass auf der irischen Insel eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert wird. Dazu würde das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleiben – was die Brexit-Hardliner in Großbritannien aber strikt ablehnen, etwa weil Nordirland dann stärker an die EU gebunden wäre als an das Vereinigte Königreich.

  • Showdown am Dienstag

    Jetzt hilft May nur noch ein Brexit-Wunder

    Die Verhandlungen mit der EU am Wochenende gelten als letzte Chance für Theresa May, „ihr“ Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen

  • Protest auf vier Pfoten

    Hundehalter machen gegen Brexit mobil

    Wenn alle Brexit-Argumente bis zur Ermüdungsgrenze ausgetauscht sind – hilft dann vielleicht Hundegebell als letzter Weckruf? 48 Stu…

Das am Montag in Straßburg vereinbarte „rechtlich verbindliche Instrument“ soll jetzt noch deutlicher machen, dass der Backstop höchstens eine Übergangslösung ist, dass eine „harte Grenze“ auf der irischen Insel mit Kontrollen vermieden soll. Und eine gemeinsame Ergänzung der politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen beider Seiten soll betonen, dass diese Beziehungen schnellstmöglich geklärt werden.

So geht die Zitterpartie jetzt weiter

Die Debatte beginnt um 13.45 Uhr (deutscher Zeit) mit einer Rede von Theresa May, gegen 20.00 Uhr wird die Abstimmung im Unterhaus erwartet.

Und auch die beiden kommenden Tage werden spannend: Wird das Brexit-Abkommen abgelehnt, stimmen die Abgeordneten am Mittwoch darüber ab, ob Großbritannien am 29. März ohne Vertrag aus der EU aussteigen soll. Einen solchen Chaos-Brexit wollen sowohl Theresa May als auch die meisten britischen Parlamentarier vermeiden.

Wird am Mittwoch auch ein „No Deal“-Brexit abgelehnt, entscheiden die Abgeordneten am Donnerstag darüber, die EU um eine „kurze und begrenzte“ Verschiebung des Austrittsdatums zu bitten. May hat einen Aufschub um bis zu drei Monate vorgeschlagen, der vor der ersten Sitzung des neugewählten EU-Parlaments Anfang Juli enden soll.

Erste Reaktionen auf Mays Verhandlungserfolg

► An der Börse hat die neue Hoffnung auf eine Brexit-Einigung am Dienstagmorgen Asiens Aktienmärkte beflügelt und das britische Pfund um bis zu ein Prozent auf 1,3288 Dollar verteuern lassen.

► Die renommierte „Times“ aus London spricht von einem „letzten Anstoß, um die finale Hürde zu überwinden“.

►Die „Financial Times“ erklärt: „Das, was die EU-Unterhändler als ihr letztes Angebot bezeichnet haben, versucht Theresa Mays Brexit-Deal in ein positiveres Licht zu rücken (…). Nach tagelangen Achterbahngesprächen mit der britischen Premierministerin lobte Jean-Claude Juncker den Deal als ‘letzten Anstoß‘, um die Abgeordneten bei der Abstimmung am Dienstag im Unterhaus über die ‚die Ziellinie‘ zu bringen.“

► Der „Guardian“ ist skeptisch und beklagt, May habe wieder einmal versucht, „den Sieg zu erringen – aber die EU hat so gut wie nichts eingeräumt.“ Weiter schreibt der Kommentator: „Jetzt beginnt wieder der Kampf um die Interpretation und die nächsten 24 Stunden in Westminster werden für Laien wie eine Auseinandersetzung über Völkerrecht klingen.

► „De Standaard“ aus Brüssel schreibt über das neue Verhältnis von EU und Großbritannien: „Die Geduld mit den unentschlossenen Briten ist am Ende. Szenarien für ein neues Referendum bieten keine Lösung. Jeder Tag, den dieser zermürbende Streit länger andauert, belastet die künftigen Beziehungen zwischen der EU und ihrem ehemaligen Mitgliedstaat stärker.“

Gute Arbeit, gute Rente

Previous article

Guaidó ruft Notstand aus

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Politik