Wissen und Technik

Turbulenzen in Rohren kosten Energie

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Wenn Gas und Wasser durch Rohre fließen, wird durch Turbulenzen viel Energie verschwendet. Eine widersinnig erscheinende Methode könnte den Energieverlust eliminieren.

Ruhe im Rohr.

Ein Glas Wasser am Hahn füllen, die Heizung wärmer drehen, einen Happen aus dem Kühlschrank holen: Vieles funktioniert heute nur, weil Flüssigkeiten und Gase durch Rohre strömen. Aus dem Inneren des Kühlschranks wird so Wärme heraustransportiert. In der Heizung läuft es anders herum, damit der Raum warm wird. Die Wasserleitung liefert Trinkwasser. Ohne Pumpen aber funktioniert all das nicht, und dafür ist Energie vonnöten.

Mehr als ein Zehntel des weltweit produzierten elektrischen Stroms treibt Flüssigkeiten und Gase durch Leitungen, Heizungsrohre, Kühlschläuche und andere Systeme. Dieser Energieverbrauch könnte deutlich sinken, wenn in den Rohren weniger Turbulenzen die Strömungen bremsen würden. Möglich ist dies. Und ein auf den ersten Blick widersinnig erscheinendes Prinzip liegt dem zugrunde. Björn Hof vom Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg bei Wien und Marc Avila vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen beschreiben es zusammen mit Kollegen im Fachblatt „Nature Physics“. Sie bekämpfen Turbulenzen mit Turbulenzen und können so den Energieverbrauch bis zu 90 Prozent verringern.

Wasserschichten fließen nicht glatt nebeneinander her

„Dieses Prinzip haben wir bereits 2010 beobachtet“, erinnert sich Marc Avila. Damals verfolgten die Forscher das Schicksal von zwei getrennten Turbulenzen, die hintereinander in einer Strömung entstanden waren. Allerdings überlebte die vordere nicht lange. Dieses Phänomen wirkt zunächst zwar recht geheimnisvoll, lässt sich aber einfach erklären: In einer Turbulenz fließen die Wasserschichten nicht glatt nebeneinander her, sondern verwirbeln und mischen sich miteinander. Das kostet Energie, und die holt sich die Turbulenz von der hinter ihr liegenden glatten Strömung. Doch wenn es auch dort Wirbel gibt, fehlt der vorderen Turbulenz schlicht die Energiequelle und sie fällt in sich zusammen.

Der eine Wirbel nimmt also dem anderen die Energie. Zumindest gilt das für langsame Strömungen. Damit das Phänomen nicht nur interessant, sondern auch energiesparend nutzbar wäre, müsste es sich auch bei schnellen Strömungen zeigen, bei denen sich überall Turbulenzen bilden. Vor allem müssten dann ein paar gezielt erzeugte und nicht so energiefressende Wirbel viele andere auslöschen.

Um das herauszufinden, wählten die Forscher zwei sehr unterschiedliche Wege. Zum einen berechneten sie die Verhältnisse mit Hilfe komplexer Formeln. Zum anderen bauten sie im Labor zwölf Meter lange und gut fünf Zentimeter dicke Rohre auf, in denen sie die theoretischen Ergebnisse in der Praxis testeten.

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Hindernisse wirken sich energiesparend aus

Gleich am Anfang des Rohres sorgt hier etwa eine Nadel für Turbulenzen. Zwei Meter dahinter drehen sich dann vier schnelle Mini-Rotoren und erzeugen dabei zusätzliche Wirbel. Die zunächst stark turbulente Strömung beruhigt sich rasch und geht bald in einen glatten Strom über. Auch weiter stromabwärts bilden sich keine neuen Wirbel. Offensichtlich entziehen also auch in schnellen Strömungen zusätzliche Wirbel genug Energie, um die Turbulenzen in sich zusammenbrechen zu lassen.

Das gleiche Prinzip funktioniert auch in einem weiteren Labor-Experiment, in dem durch 25 einen halben Millimeter große Löcher dünne Wasserstrahlen in die Strömung gespritzt werden. Auch das vergrößert zunächst die Turbulenz. Aber erneut nehmen sich die Wirbel gegenseitig die Energie und die Strömung glättet sich rasch. Ähnliches geschieht, wenn in die Strömung hinein kleine Bauteilchen gehängt werden.

Dass sich Hindernisse im Gegensatz zu dem, was man logisch vermuten würde, energiesparend auswirken können, weiß man schon länger aus der Hydro- und Aerodynamik. Etwa auf der Haut von Haien, aber auch auf einem Fußball, sorgt die Tatsache, dass hier nicht alles glatt ist und glatt läuft, dafür, dass chaotische Wirbel ausgelöscht werden.

Dass Turbulenzen Turbulenzen auslöschen, scheint also ein universelles und universell anwendbares Prinzip zu sein. Trotzdem ist die Forschung an Rohrleitungen noch nicht in der Praxis angekommen. „Bis zu einer breiten Anwendung dürften wohl noch einige Jahre vergehen“, sagt Avila. In dieser Zeit sollten zum Beispiel die eingehängten, Wirbel erzeugenden Bauteilchen durch feste Strukturen an der Innenfläche der Rohre ersetzt worden sein. Auch die typischen Fragen von Praktikern müssen geklärt werden: Wie haltbar sind solche Strukturen, wie lassen sie sich möglichst preiswert einbringen? Viel mehr als konventionelle Rohre dürften sie jedenfalls nicht kosten, wenn sie sich durchsetzen sollen.

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