Wirtschaft

Die angeschlagenen Anleger

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Deutsche Aktien laufen schlecht, Papiere von Traditionsunternehmen haben sich teilweise halbiert. Was läuft schief in Deutschland?

An der deutschen Börse ist es unruhig. Skeptiker sehen in den jüngsten Kursverlusten noch nicht das Ende.

Es sieht nicht gut aus an der Börse. Gut 20 Prozent hat der Deutsche Aktienindex Dax seit seinem Allzeithoch im Januar verloren, und auch am Montag ging es weiter bergab. Im Januar hatte der wichtigste deutsche Börsenindex noch 13 560 Punkte geschafft, am Montagnachmittag standen nur knapp 10 700 Zähler auf der Kurstafel. Am Vormittag hatte der Index mit 10 672 Punkten sogar den tiefsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Der Dax-Kursindex, bei dem die Dividenden nicht mitgerechnet werden, sackte sogar um 23 Prozent ab. Der Börsenbulle, der auf steigende Kurse setzt, ist schwer lädiert. Schlimmer noch: Der deutsche Leitindex ist das schwächste Börsenbarometer aller Industrienationen und größeren Börsenplätze weltweit. Sowohl der EuroStoxx als auch die Börsen in Paris, London, Mailand, aber auch die Handelsplätze in Spanien, Portugal, Griechenland, in Osteuropa, Asien oder Südamerika verzeichnen deutlich geringere Verluste. Nur Venezuela und der chinesische Shanghai A gingen noch tiefer in die Knie. In den USA notiert der Dow Jones auf Jahressicht immer noch knapp im Plus, der Nasdaq 100 sogar etwas deutlicher. Erst im Oktober hatte der Dow zuletzt ein Allzeithoch bei 26 828 Punkten erreicht, von dem er bisher neun Prozent abgegeben hat.

Hohe Verluste

Der Blick auf die 30 Einzelwerte macht das Ausmaß der Verluste im Dax noch deutlicher: Knapp die Hälfte der Werte verzeichnet noch höhere Verluste als der Index selbst. Die Aktie von Covestro, Produzent von Hightech-Kunststoffen, hat sich seit Januar von 95 auf inzwischen 44 Euro mehr als halbiert. BASF-Papiere sind vom Hoch bei knapp 98 Euro auf jetzt rund 58 gefallen. Der niedrige Wasserstand des Rheins, über den BASF 40 Prozent der Produkte transportiert, hat dem Konzern Produktionsausfälle eingebrockt. Zudem schwächeln die Bestellungen der Autoindustrie, so dass der Ludwigshafener Chemieriese seine Gewinnprognose kürzen musste. Das Kriseninstitut Deutsche Bank notierte im Januar noch bei 17 Euro, jetzt stehen laufend neue Allzeittiefs unter acht Euro auf dem Tableau. Den Autozulieferer Conti haben die Anleger nach zwei Gewinnwarnungen seit Januar auf 123 Euro halbiert. Fresenius taucht bereits seit 2017 ab und fiel zuletzt beschleunigt weiter, nachdem das Unternehmen die Geschäftsziele für die kommenden zwei Jahre einkassiert hatte. Auch hier fehlen 50 Prozent vom Höchstkurs. Die Aktie von Bayer leidet ebenfalls schon länger unter der Übernahme des US-Saatgut- und Pestizid-Produzenten Monsanto. Anleger rechnen mit milliardenschweren Zahlungen, nachdem in den USA mehrere Tausend Klagen gegen Glyphosat anhängig sind. Die Aktie von Heidelbergcement notiert auf Vierjahrestief. Mit 46 Euro steht Daimler auf einem Niveau, das vor 22 Jahren schon einmal erreicht war. Auch BMW notierte vor sechs Jahren schon einmal auf dem aktuellen Kursniveau.

Schwäche in den Frühindikatoren


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Skeptiker sehen in den jüngsten Kursverlusten noch nicht das Ende der Fahnenstange. Sorgen bereitet vor allem, dass die wirtschaftlichen Frühindikatoren Schwäche zeigen. So ist die deutsche Wirtschaftsleistung im dritten Quartal knapp in die Rezession gerutscht, Halbleiter-Firmen jammern über schwache Bestellungen, die Einkaufsmanagerindizes von IHS Markit belegen, dass deutsche Unternehmen ihre Geschäftsaussichten auf Sicht von zwölf Monaten so negativ einschätzen wie zuletzt 2012. Im dritten Quartal rutschte die deutsche Wirtschaftsleistung sogar geringfügig in die Rezession. Der Brexit und der drohende Handelskrieg mit den USA belasten zusätzlich.

Zwar sind deutsche Aktien, ablesbar an ihren Kurs-Gewinn-Verhältnissen, im langfristigen statistischen Mittel inzwischen etwa 15 Prozent günstiger bewertet. Doch korrigiert werden kann diese Bewertung nicht nur durch steigende Kurse, sondern auch durch fallende Gewinne. Im bisherigen Jahresverlauf, notierte das Beratungsunternehmen EY, musste ein Drittel der Dax-Firmen die Prognosen kürzen. Auch der Gesamtmarkt ist betroffen: Bereits im ersten Halbjahr strich jedes siebte Unternehmen im Prime Standard mit 307 Unternehmen seine Ziele für 2018 zusammen.

Die meisten Banken hingegen sind nach dem zurückliegenden Abwärtsrutsch für 2019 eher optimistisch. „Europäische Aktien sind derzeit besonders günstig“, glaubt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank. Zwar blieben mit dem Brexit und mit der Schuldenpolitik Italiens einiger Unsicherheiten. Interessant seien aber vor allem Aktien aus den Branchen Grundstoffe, Bauindustrie, Öl, Gas und Finanzen. Den Dax sieht Stephan 2019 auf 12 300 Punkte steigen, das wäre ein Plus von 15 Prozent vom derzeitigen Niveau aus. Trotzdem zählt Stephan den Dax nicht zu seinen Favoriten und rät Anlegern, sich eher in Europa und den USA umzusehen. Denn der deutsche Leitindex enthalte viele Autotitel, sei stark zyklisch ausgerichtet und reagiere auf konjunkturelle Schwankungen deshalb sehr empfindlich. US-Unternehmen dürften hingegen, so Stephan, weiter von den Steuersenkungen in den USA profitieren. Allerdings bereitet in den USA die „inverse“ Zinssituation Sorgen: Fünfjährige Staatsanleihen verzeichnen geringere Renditen als zweijährige, was in der Vergangenheit stets ein Vorbote einer Rezession war.

Erholung im neuen Jahr?

Die DZ Bank sieht den Dax 2019 sogar über 13 000 Punkte steigen. Die Auseinandersetzung rund um den Welthandel sollten größtenteils verbale Scharmützel bleiben, heißt es. Zudem sei die aktuelle Korrektur übertrieben gewesen. Auch die Exportschwäche der deutschen Wirtschaft hat sich im Oktober wieder normalisiert. Die Commerzbank möchte keine konkrete Prognose wagen, glaubt aber auch, dass europäische und deutsche Aktien spätestens ab dem kommenden Frühjahr wieder auf Erholungskurs einschwenken könnte. Auch andere Finanzauguren geben Entwarnung, glauben jedoch durchweg nicht, dass deutsche Standardwerte 2019 das Allzeithoch aus dem Januar zurückerobern könnten. Positiv sei, dass die jüngsten Korrekturen in den Geschäftsausblicken zu deutlich vorsichtigeren Schätzungen der Analysten geführt hätten. Hier sei Raum für überraschend gute Nachrichten im ersten Quartal 2019. Stützend könnten sich auch die Dividenden für 2018 auswirken, die im Frühjahr 2019 ausgeschüttet werden. Elf der 30 Dax-Werte locken dank der gefallenen Kurse mit Dividendenrenditen zwischen vier und gut sieben Prozent, mehr als die Hälfte schüttet nach aktuellem Stand über drei Prozent aus. An der Spitze steht Daimler mit 7,53 Prozent.

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