Politik

Über diesen Brüll-Briten amüsiert sich die ganze Welt

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Am Auto seiner Frau klebt ein Anti-Brexit-Sticker

Quelle: BILD / britisches Parlament, AP
1:51 Min.

„ORRR-DUHHH! ORRR-DUHHH!“

Er behält immer den Durchblick, selbst im größten Brexit-Wirrwarr – John Bercow (55)! Er ruft die Abgeordneten im Unterhaus mit „Order! Order!“ zur Ordnung und zurück an ihre Plätze. Seit dieser Woche amüsiert sich die ganze Welt über sein Gebrüll: Mit wild gemusterter Krawatte und lauter, tiefer Stimme macht er das Brexit-Chaos noch ein bisschen skurriler.

▶︎ Eigentlich spielt der Posten des Parlamentspräsidenten in der britischen Politik keine große Rolle. Ausgenommen natürlich in der hitzig geführten Debatte über den Austritt der Briten aus der Europäischen Union. Die Abstimmung über den Brexit-Deal, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte, fand am Dienstag im Unterhaus statt. Der Vertrag fiel krachend durch. Einen Tag später der nächste Showdown: Das gegen May beantragte Misstrauensvotum scheiterte. Zweimal in dieser Woche blickte die ganze Welt auf die Kammer, in der Bercow das Sagen hat.

Selbst May zuckt zusammen

Seit 2009 ist Bercow dafür zuständig, dass es im Parlament (650 Abgeordnete) ordentlich zugeht. Sein Stil ist recht eigen: „Das Unterhaus muss sich beruhigen. Zen. Mäßigung. Geduld“, pflegt er zu rufen, wenn die Dinge wie aktuell aus dem Ruder zu laufen drohen.

Egal wie laut die Abgeordneten durcheinander reden, Bercow übertrifft sie mit seiner tiefen, befehlsmäßigen Stimme; und seinen rekordmäßig langgezogenen Rufen: „ORRR-DUHHH! ORRR-DUHHH!“ („ORDNUNG! ORDNUNG!“). Da zuckt sogar mal die Premierministerin zusammen und setzt sich zurück auf ihren Platz.

▶︎ Bercow ist immer voll dabei und beweist Humor, wenn er dazwischenbrüllt: „Beruhigen Sie sich. Versuchen Sie, sich in Weihnachtsstimmung zu bringen. Falls Sie das nicht schaffen, hören Sie wenigstens der Premierministerin zu!“ Oder: „Niemand wird hier – unter keinerlei Umständen – jemals niedergeschrien.“ Großartig!

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In den sozialen Netzwerken wird der Parlamentspräsident für seine Auftritte gefeiert. Und auch seine schrillen Krawatten sind Thema. Es gibt sogar ein Instagram-Profil, das Fotos seiner buntesten Schlipse sammelt.

Ordeeeeeeeeer… !
Ordeeeeeeeer… !
Ordeeeeeeeeeeeeeeeer… !
Ordeeeeeeeer… !
Was mache ich?
Ich versuche Intervention zu lernen!#Bercow #London #Brexit

— Milad Ghanei (@MiladGhanei) January 16, 2019

Ohne den #Brexit hätte ich nie gewusst, wer John Bercow ist.

Danke, Britannien.

ORDER!!!!!

— kuestenrocker (@kuestenrocker) January 17, 2019

ABER: Es geht natürlich nicht nur um Unterhaltung. Als Parlamentspräsident kann Bercow zum Beispiel festlegen, über welche Änderungsanträge abgestimmt wird. Er legt auch fest, wer das Wort ergreifen darf, und wann „ORDNUNG!“ zu herrschen hat.

▶︎ Bercow scheint seinen Job gut zu machen, er wurde mehrmals in seinem Amt bestätigt. Als Parlamentspräsident muss Bercow zwar unparteiisch sein, eigentlich ist er aber Mitglied der Konservativen. Schon während des Studiums war er politisch aktiv, seit 1997 gehört er dem Parlament an. In seiner Freizeit spielt er Tennis und Squash, geht schwimmen, liest und hört Musik – welche, schreibt Bercow auf seiner Website allerdings nicht.

Ich schalte den Livestream ein und was höre ich ich zuerst: "Oooooorder!" John #Bercow ist ein cooler Typ! "Cleeeeear the lobby!" pic.twitter.com/Qgo8kMto6L

— Sven Seele 🇪🇺🇪🇺🇪🇺 (@svenseele) January 15, 2019

Seit gestern Abend habe ich einen neuen Berufswunsch. Ich möchte Speakerin des britischen Unterhauses werden. Speaker John #Bercow hat die Polittragödie im House of Commons in ein unvergessliches Kulturerlebnis verwandelt. Wo und wie kann ich mich bewerben?

— Karlen (@Karlen73432305) January 16, 2019

Ist er insgeheim gegen den Brexit?

Bercows besondere Art hat allerdings nicht nur Fans: Manchen in der Regierung von Premierministerin Theresa passt der laute Auftritt gar nicht. Einige haben den Eindruck, dass der eigentlich zur Unparteilichkeit verpflichtete Parlamentspräsident gegen den EU-Ausstieg sei.

▶︎ Dass am Auto seiner Ehefrau ein Anti-Brexit-Sticker klebt, trägt nicht dazu bei, diesen Verdacht zu zerstreuen. Andere glauben wiederum, dass Bercow nur die Macht des Parlaments bewahren und die Regierung in die Schranken weisen wolle.

Tomorrow's front page: Commons Speaker John Bercow accused of trying to sabotage Brexit https://t.co/AC3wgoiGpu pic.twitter.com/goRxDferHm

— The Sun (@TheSun) January 9, 2019

  • BILD-Stimmungscheck in London

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    Der ungeordnete Brexit droht, Regierung und Parlament kommen nicht voran. Und die Bürger? Die bleiben gelassen. Der BILD-Stimmungscheck.

Bercow selbst scheint das alles wenig zu stören. Als die britische „Sun“ ihn diese Woche mit dem Teufel verglich, sagte er nur, er werde sich nicht dafür entschuldigen, der Regierung die Stirn zu bieten. „Mein Job ist es nicht, den Cheerleader für die Exekutive zu geben.“ Im Gegenteil: „Mein Job ist es, für die Rechte des Unterhauses einzutreten.“

Und auch unter seinen Mitarbeitern kommt Bercow nicht bei jedem gut an. Erst in diesem Jahr wurde er des Mobbings beschuldigt. Der Parlamentspräsident bestreitet den Vorwurf.

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