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„No-go-Areas“ für Judenin Deutschland

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Diese Studie ist ein Weckruf. Am Montag veröffentlicht die EU eine neue Umfrage über Antisemitismus in Europa – mit dunklen Erkenntnissen für das jüdische Leben.

Im Mai und Juni 2018 befragte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) 16.395 Juden aus 12 europäischen Ländern, darunter auch über 1000 aus Deutschland.
Das Ergebnis ist ein Armutszeugnis für Europa – und ein Alarmsignal an die Politik. BILD erklärt die Studie der Schande!

„No-go-Areas“ für Juden

89 Prozent der Befragten – in Europa und Deutschland – sehen den Judenhass in den letzten fünf Jahren im Aufwind. Am häufigsten konstatierten dies Juden in Frankreich (93 Prozent), am seltensten Juden in Ungarn (71 Prozent).

85 Prozent der Juden in der EU halten Antisemitismus für ein großes Problem in ihrer Gesellschaft. Die größten Sorgen machen sich französische Juden (95 Prozent), darauf folgen deutsche Juden (85 Prozent) – die wenigsten Sorgen gibt es in Dänemark (56 Prozent).

Erschreckend: In keinem Land haben so viele Juden antisemitische Belästigungen erlebt wie in Deutschland. 41 Prozent gaben an, im vergangenen Jahr eine antisemitische Erfahrung gemacht zu haben, 52 Prozent in den vergangenen fünf Jahren – beides weit über dem EU-Schnitt (28 Prozent und 39 Prozent).

  • Vorfall in Berlin-Neukölln

    Israelische Journalistin mit Böller verjagt

    Am Sonntag wurde eine israelische Journalistin in Berlin-Neukölln von mehreren Jugendlichen gestört und mit einem Böller beworfen.

  • Brief aus Tel Aviv

    Juden aus Europa bleiben lieber an Israels Stränden

    Der Strand von Tel Aviv ist in diesem Sommer voller Juden, die Europa in den vergangenen zwölf Monaten verlassen haben.  

Die Juden ziehen ihre Lehren: 75 Prozent der deutschen Befragten verzichten – manchmal, häufig oder immer – auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit. 46 Prozent der Juden in Deutschland vermeiden es, gewisse Gegenden zu betreten. Im Klartext heißt das: Es gibt „No-go-Areas“ für Juden.

Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung, ist schockiert. „Dass als Juden erkennbare Menschen aus Angst vor Anfeindungen gewisse Gegenden nicht mehr betreten wollen, halte ich für alarmierend“, so Klein zu BILD. Er verspricht: „Hiergegen werde ich kämpfen!“

Juden denken ans Auswandern

Kommt dieses Versprechen schon zu spät? Der Umfrage zufolge haben 38 Prozent der europäischen Juden in den letzten fünf Jahren ans Auswandern gedacht, weil sie sich als Juden nicht mehr sicher fühlen. Auch hier ist Deutschland (neben Frankreich) mit 44 Prozent trauriger Spitzenreiter.

Wie konnte es soweit kommen?

„Antisemitismus wurde in der Vergangenheit zu sehr als Problem nur für Juden angesehen. Es fehlte Bewusstsein dafür, dass Antisemitismus uns alle, unsere gemeinsame deutsche Kultur bedroht“, erklärt Antisemitismus-Beauftragter Felix Klein.

Sein Appell: „Vor dem Hintergrund unserer Geschichte sind antisemitische Vorfälle in Deutschland ganz besonders schwerwiegend. Wir müssen alles daran setzen, diese traurige Spitzenreiterposition wieder loszuwerden.“

Muslime am häufigsten als Täter genannt

Doch eine Frage bleibt: Woher kommt der Antisemitismus?

Die Ergebnisse der neuen EU-Umfrage widersprechen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). 2017 erfasste die PKS 1 504 antisemitische Straftaten und ordnete 94 Prozent dem rechten Spektrum zu. Nur fünf Prozent der Taten sollen einen muslimischen Hintergrund haben.

Die Umfrage liefert ein komplett anderes Bild: 41 Prozent der befragten Juden in Deutschland gaben an, dass die Täter einen muslimischen Hintergrund hatten. Andere politische Tätergruppen wurden deutlich seltener genannt – Rechte mit 20 Prozent und Linke mit 16 Prozent.

  • Lala Süsskind

    „Judenhass von Muslimen wird unterschätzt!“

    Die Vorsitzende des Jüdischen Forums Lala Süsskind ist stark besorgt über die Zunahme antisemitischer Vorfälle in Deutschland.

  • Berliner Forschungsinstitut

    Mit Antisemiten gegen Antisemitismus?

    Das Zentrum für Antisemitismusforschung plante eine Kooperation mit Mitgliedern eines Vereins, der für Israels Zerstörung marschiert.

„Diese Daten sind ein Schlag ins Gesicht“, sagt Historiker und Publizist Michael Wolffsohn zu BILD. „Sie widerlegen die politische und mediale Gewichtung des Antisemitismus. Die Gefahr von rechts besteht, aber sie ist nicht die größte.“

Wolffsohn fordert: „Die Verantwortlichen müssen das Kind beim Namen nennen und endlich handeln. Die Integration von Muslimen ist eine menschliche und politische Selbstverständlichkeit. Aber von Muslimen verübte Straftaten müssen geahndet werden, nicht politisch korrekt überzuckert.“

Schon lange gibt es Kritik an Zuordnung antisemitischer Straftaten zu politischen Motiven. Auch Antisemitismus-Beauftragter Felix Klein äußert Zweifel: „Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik werden etwa 5 Prozent der antisemitischen Straftaten von Muslimen begangen. Wir müssen dieser großen Abweichung zu den Angaben von Juden zu antisemitischen Erfahrungen nachgehen!“

Juden sorgen sich um Intoleranz gegenüber Muslimen

In dieser traurigen Studie ist jedoch eine Zahl bemerkenswert. Trotz des muslimischen Antisemitismus sorgen sich Europas und auch Deutschlands Juden um die Muslime.

72 Prozent der europäischen und 89 Prozent der deutschen Juden gaben an, dass die Intoleranz gegenüber Muslimen in den vergangenen fünf Jahren gestiegen ist. 57 Prozent der europäischen und 54 Prozent der deutschen Juden sehen diese Intoleranz als großes gesellschaftliches Problem.

„Geradezu vorbildlich ist die Toleranz der jüdischen Opfergruppe, ihr Mitgefühl und die Sorge gegenüber denjenigen, von denen sie die meiste Intoleranz erfahren, den Muslimen“, sagt Michael Wolffsohn zu BILD. Und meint: „Das ist, im Klischee gesprochen, regelrecht christliche Nächstenliebe.“

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