Politik

„Keiner ist in der Türkei sicher“

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Deutsche Journalisten verlieren Arbeitserlaubnis, müssen ausreisen

Neuer Riesen-Ärger mit der Türkei!

Die Türkei hat mehreren deutschen Auslandskorrespondenten die Arbeitserlaubnis entzogen – und sie damit aus dem Land geschmissen. War Präsident Recep Erdogan ihre Berichterstattung zu kritisch?

▶︎ „Erdogan hat die türkischen Medien weitgehend gleichgeschaltet. Und jetzt ist offensichtlich der internationale Medienmarkt dran“, sagte Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (53) am Montag im „Deutschlandfunk“.

Der ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende warnt nun vor einer Reise in das Land: „Keiner ist in der Türkei sicher, weder Deutsche noch Nichtdeutsche. Das ist ein Willkürstaat.“

Botschaftsrat wollte Deal mit Redaktionen machen

DER FALL: Der ZDF-Korrespondent Jörg Brase und „Tagesspiegel“-Reporter Thomas Seibert mussten am Sonntagnachmittag die Türkei verlassen und nach Deutschland fliegen. Das Presseamt in Ankara hatte ihnen ebenso wie einem nicht ständig in der Türkei lebenden NDR-Reporter vor rund einer Woche mitgeteilt, dass ihr Antrag auf eine neue Pressekarte nicht bewilligt worden sei.

► Die Bundesregierung äußerte „Bedauern und Unverständnis“ darüber, die Entscheidung aus Ankara sei „nicht nachvollziehbar“. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, die Angelegenheit sei mit der Ausreise der Reporter nicht erledigt: „Wir werden deren Interessen weiter vertreten.“

Wie der „Tagesspiegel“ am Montag berichtet, hatten sich das Auswärtige Amt, ebenso wie die Redaktion selbst dafür stark gemacht, die Entscheidung der türkischen Behörden rückgängig zu machen – erfolglos.

Seltsam: Kurz nachdem das Informationsamt des türkischen Präsidialamts Korrespondent Seibert in Istanbul die Akkreditierung verweigert hatte, tauchte der Pressebotschaftsrat aus der türkischen Botschaft in Berlin bei der Chefredaktion des „Tagesspiegels“ auf.

Sein Vorschlag: Die Chefs mögen doch ihren Mitarbeiter aus der Türkei abziehen und an seiner statt einfach einen anderen Journalisten schicken. Dem ZDF soll es dem Bericht zufolge ähnlich ergangen sein. Gründe wurden von türkischer Seite nicht genannt.

Umso deutlicher die Reaktion des „Tagesspiegels“, der schrieb: „Ziel der türkischen Forderung an ,Tagesspiegel‘ und ZDF war es, auf die Entsendung deutscher Korrespondenten Einfluss zu nehmen und damit die Berichterstattung über das Land in deutschen Medien mitzubestimmen.“ Einen Versuch, bei Chefredaktionen deutscher Medien die Ernennung neuer Türkei-Berichterstatter durchzusetzen, indem der amtierende Korrespondent aus dem Land geworfen wirft, habe es „bisher noch nie gegeben“.

Aus dem zuständigen Ministerium in Ankara erfuhr BILD jedoch: Dort weiß man angeblich von nichts. Den Journalisten sei zwar nach dem üblichen Prozedere die Arbeitserlaubnis nicht verlängert worden, von dem Besuch des Presse-Attachés in den Redaktionen sei aber nichts bekannt. Außerdem sei ihm zuvor eine Liste mit Namen aller deutschen Korrespondenten in der Türkei vorgelegt worden.

Dazu erfuhr BILD aus türkischen Diplomatenkreisen: „Nach der Kontrolle der Liste gibt der Presse-Attaché grünes Licht oder sagt, wo es problematisch sein könnte. Bei den zwei betroffenen deutschen Journalisten war es dieselbe Prozedur. Mit Verwunderung haben wir aus der deutschen Presse erfahren, dass der zuständige Attaché versucht haben soll, bei den Redaktionen einen Deal auszuhandeln. Das wurde ohne Absprache mit dem zuständigen Ministerium in Ankara getan.“

Özdemir vermutet politische Entscheidung

Özdemir wittert hingegen hinter der Ausweisung eine politische Entscheidung: „Journalismus ist für Erdogan, dass man ihm huldigen darf. Das ist nicht, dass man ihm kritische Fragen stellt“, sagte der 53-Jährige weiter.

Auch die Bundesregierung sieht Özdemir in der Verantwortung: „Vielleicht sollte das Berlin mal langsam zur Kenntnis nehmen, dass die reale Türkei, mit der Türkei, die man sich in Berlin wünscht, nicht mehr viel gemeinsam hat.“

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Auswärtiges Amt verschärft Reisehinweise

Schon am Samstag hatte das deutsche Außenministerium – mit Hinweis auf die rausgeworfenen Journalisten – die Reisehinweise für die Türkei verschärft und vor Verhaftungen gewarnt.

„Es kann … nicht ausgeschlossen werden, dass die türkische Regierung weitere Maßnahmen gegen Vertreter deutscher Medien sowie zivilgesellschaftlicher Einrichtungen ergreift“, heißt es jetzt auf der Webseite des Auswärtigen Amtes.

Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, können in der Türkei zu berufsbeschränkenden Maßnahmen und Strafverfahren führen“, wird gewarnt.

Deutsche Staatsbürger seien zudem in den letzten beiden Jahren vermehrt willkürlich inhaftiert wurden. Hintergrund sei teilweise der Verdacht auf Kontakte zu der in der Türkei als terroristisch eingestuften Gülen-Organisation.

Türkischer Innenminister drohte Urlaubern

Das Auswärtige Amt verweist aber auch auf Aussagen des türkischen Innenministers, dass Urlauber festgenommen werden könnten, die im Ausland an Versammlungen von in der Türkei verbotenen Organisationen teilgenommen haben.

Später ruderte der Politiker zwar zurück und beklagte sich, falsch verstanden worden zu sein. Doch die Tatsachen sprechen für sich: In den Reisehinweisen betont das Auswärtige Amt, dass die Türkei ein beliebtes Reiseziel sei, „das Touristen grundsätzlich herzlich und offen empfängt“. Zugleich seien aber schon Deutsche wegen regierungskritischer Stellungnahmen in sozialen Medien festgenommen worden.

Schon das Teilen oder „Liken“ eines fremden Beitrags reiche aus: „Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.“

Liebes Winnenden,

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