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Fußball-Zeitreise, 1.12.1954: Charly Körbel – unverwüstlicher Rekordhalter

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Karl-Heinz Körbel, hier im modischen Eintracht-Trikot der Saison 1988/89, hat hunderte Bundesligaspiele auf dem Buckel.

Eine Kolumne von Ben Redelings


Wie ist es möglich, 602 Bundesligaspiele zu schaffen? Charly Körbel gelang dies mit eisenharter Disziplin und auch etwas Unvernunft. Als ihm einmal ein Trainer riet, Zahnpasta auf seinen Bänderriss zu schmieren, tat er dies und spielte!

Es gibt da diese eine Geschichte von Charly Körbel, die zeigt, wie das Frankfurter Urgestein tickte. Acht lange Wochen spielte er einmal mit einem Bänderriss im rechten Knöchel, weil er sich nicht traute, seinem Trainer Gyula Lorant etwas zu sagen. Als der Mannschaftsarzt schließlich die Initiative ergriff, antwortete der Ungar nur: "Boxer kämpfen auch mit Platzwunde, soll Charly Zahnpasta auf Fuß schmieren."

Bei vier der insgesamt fünf DFB-Pokalsiege ist Körbel als Spieler dabei (hier 1981).

Ein anderes Mal sah selbst Körbel ein, dass es so nicht mehr ginge. Er erinnert sich: "Einmal war mein Knöchel so dick, die Schmerzen so groß, dass ich wirklich nicht spielen konnte. Lorant nahm mich zur Seite: 'Charly, kannst du essen mit Zahnschmerzen?' Als ich nickte, stand für ihn fest: 'Also kannst du auch spielen mit Schmerzen im Knöchel.' Ich habe tatsächlich gespielt."

Wenn man sich fragt, wie dieser Mann, der am heutigen 1. Dezember vor 64 Jahren als Karl-Heinz Körbel in Dossenheim im Regierungsbezirk Karlsruhe geboren wurde, auf sage und schreibe 602 Bundesliga-Spiele gekommen ist, dann sind genau diese Geschichten ein Teil der Wahrheit. Als er in der Saison 1972/73 am 25. Spieltag mit dem Verdacht auf Nasenbeinbruch ins Krankenhaus eingeliefert wurde, stand für alle fest, dass Körbel für längere Zeit ausfällt. Doch am nächsten Spieltag beim SV Werder stand der ewige Charly wieder auf dem Platz.

Der Mann war einfach tapfer. Wie sich auch am 31. Spieltag bei der Partie von Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Nürnberg in der Saison 1983/84 zeigte. Charly Körbel lag auf einer Trage und wurde über die Laufbahn hinaus transportiert. Es sah nicht gut aus für ihn. Seine Frau eilte herbei und weinte fürchterlich. Von der Trage herab sprach Körbel im ruhigen Ton zu seiner Gattin: "Mach dir keine Gedanken, es ist nicht so schlimm – nur ein Schienbeinbruch." Der Wahnsinn! Aber warum wusste Körbel eigentlich so genau, welche Verletzung er hatte? Ganz einfach: Als kleinem Jungen war ihm beim Spielen einmal ein Zementsack aufs Bein gefallen – und da hatte er sich an die Schmerzen mit einem Schienbeinbruch erinnert.

Erinnerungen an schräge Trainer

Vor dem DFB-Pokalsieg im Jahr 2018 huldigen die Eintracht-Fans ihrer Klubikone Charly Körbel mit einer riesigen Choreo.

Während seiner langen Karriere hatte der Rekord-Bundesligaspieler Charly Körbel viel Zeit, sich einige Trainer ganz genau anzuschauen. Und er hat tatsächlich einige sehr spezielle Charaktere in seiner Laufbahn erlebt, die ihn unterschiedlich geprägt haben, wie er sich erinnert: "Dietrich Weise hatte uns bei großer Hitze vor einem Spiel gegen Karlsruhe verboten, ins Schwimmbad zu gehen. Er selbst wurde dort von drei Spielern 'erwischt'."

Ein anderer war der "schöne Erich": "Erich Ribbeck achtete gewaltig auf Disziplin. Damals mussten wir abends früh zu Hause sein. Ich kam mit Raimund Krauth eine halbe Stunde zu spät aus dem Kino, da stand Ribbeck schon in der Telefonzelle vor meiner Wohnung, fing mich ab und verpasste mir eine saftige Geldstrafe." Und über Friedel Rausch berichtete Körbel: "Der las uns bei jeder Mannschaftsbesprechung aus einem dicken Buch vor. Einmal wurde er ans Telefon gerufen, da haben wir in das Buch reingeschaut: Die Aufzeichnungen über den Gegner bestanden nur aus weißen Blättern."

Über den Mann, der ihn auch mit schwersten Verletzungen spielen ließ, erzählte Körbel: "Gyula Lorant wurde jeden Morgen von seinem Co-Trainer Pal Csernai zum Training gefahren. Lorant behauptete, er habe morgens immer so schreckliche Kopfschmerzen, die ihm das Fahren unmöglich machten. Irgendwann bekamen wir aber dann doch noch den wahren Grund für Lorants Fahrunlust heraus: Der Trainer hatte seinen Führerschein verloren, als er das Kunststück vollbrachte, auf der Autobahn rückwärts zu fahren." Was für Zeiten, was für Geschichten!

Knapp an der 603 vorbeigeschrammt

Ein Traum in Gelb und Blau: Mit seiner 569. Partie löst Körbel 1989 Manfred Kaltz als Bundesliga-Rekordspieler ab.

Nach der Saison 1990/91 sollte Schluss sein. Bereits nach dem 600. Spiel überreichte ihm sein Präsident Matthias Ohms eine Magnum-Flasche Champagner mit den Worten: "In dieser Flasche sind die Tränen des Präsidiums!" Dass es am Ende "nur" 602 statt der möglichen 603 Spiele wurden, hatte vor allem ein Mann zu verantworten: Schiedsrichter Michael Prengel.

Als dieser am 8. Juni 1991 in seine Brusttasche griff und den gelben Karton zückte, lief Charly Körbel ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Die vierte Gelbe Karte der Saison durchkreuzte seinen Plan, die Laufbahn im heimischen Waldstadion gegen den VfB Stuttgart mit dem Einzug in den Uefa-Pokal stilvoll ausklingen zu lassen. Obwohl Körbel vor der Partie Prengel die besondere Situation extra erklärt hatte, konnte der Schiri die Aufregung um seine Person nicht verstehen. Für ihn trug ganz alleine Körbel die Schuld: "Es hat mir nicht leid zu tun, er hätte sich anständig benehmen sollen."

Eigenartig eigentlich, dass Körbel Stress mit dem Schiri hatte. Der Unparteiische Dieter Pauly erzählte einmal: "Es gibt einige ganz Schlaue, die den Schiri dauernd loben, um ihn gewogen zu machen. Der Charly Körbel von Frankfurt ist so einer. Wir sind schließlich auch nur Menschen."

Am Ende war es aber auch egal mit dem 603. Spiel. Denn einzuholen ist dieser Rekord eigentlich nicht mehr. Und Karl-Heinz Körbel selbst hat eh den Frieden mit dem Ende seiner Karriere gemacht. Als er einmal nach dem schönsten Moment seiner sportlichen (!) Laufbahn gefragt wurde, antwortete er überraschend: "Als ich meine Frau Margarete kennengelernt habe." So ist er, der Charly Körbel. Alles Gute zum 64. Geburtstag und Glück auf!

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