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EU schickt May mit Knallhart-Ultimatum nach Hause

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Brüssel übernimmt das Brexit-Kommando – jedenfalls beim Zeitplan +++
12. April ist neuer „Guillotine-Tag“ + Millionen Briten fordern EU-Verbleib

Mini-Atempause für Theresa May – aber auch ein neues Ultimatum für Großbritannien.

Nach einem zähen Brexit-Krisengipfel in Brüssel ist der drohende Chaos-Brexit am 29. März vom Tisch. Dafür gibt es ein neues Schlüsseldatum, bis zu dem die Briten wissen müssen, was sie wollen: der 12. April.

Will May nicht an diesem „Guillotine-Datum“ zwischen Pest (No-Deal-Brexit) und Cholera (Teilnahme-Pflicht der Briten an der Europawahl) entscheiden, MUSS sie kommende Woche im dritten Anlauf ihr Austrittsabkommen mit der EU durchs heillos zerstrittene britische Unterhaus bringen. In diesem Fall tritt Großbritannien am 22. Mai geordnet und mit langen Übergangsfristen aus der EU aus.

Problem daran: Ihre Chancen stehen schlecht …

Die Einigung im Detail

Die EU-Staats- und Regierungschefs und die britische Regierung haben sich auf eine Doppelstrategie beim Brexit-Aufschub verständigt:

▶︎ Das Brexit-Datum kann bis zum 22. Mai aufgeschoben werden. Jedoch nur unter einer Bedingung: Das britische Unterhaus MUSS den wiederholt abgelehnten Ausstiegsvertrag in der kommenden Woche annehmen.

▶︎ Stimmt das Unterhaus dem Ausstiegsvertrag hingegen NICHT zu, soll der Austritt lediglich bis zum 12. April verschoben werden. Bis dahin müsste sich Großbritannien auch entscheiden, ob sie bei den Europaparlamentswahlen mitmachen werden, die vom 22. bis zum 26. Mai stattfinden. Auf Basis welcher Lösung auch immer.

Nehmen sie an der Wahl mit, kommt auch eine deutlich längere Verschiebung (einige EU-Diplomaten sprachen von Jahresende) in Betracht.

So lief der Gipfel

Bislang hat die EU-Seite entgegen aller Prognosen im Brexit-Poker Geschlossenheit gezeigt. Gestern zeigten sich erste Risse.

Ein Hardliner-Lager, angeführt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, wollte den Briten nur noch eine letzte Frist bis 7. Mai gewähren. Für eine Lösung, die noch mehr Optionen offenhält, den drohenden Chaos-Brexit zu verhindern, kämpften neben Kanzlerin Angela Merkel unter anderem Polen und die Niederlande.

Ergebnis: die Doppel-Strategie. Ratspräsident Donald Tusk ergänzte, dass die Vorbereitungen für einen ungeordneten Brexit weitergingen.

EU27 responds to UK requests in a positive spirit and:
👉 agrees to Art. 50 extension until 22 May if Withdrawal Agreement approved next week
👉 if not agreed next week then extension until 12 April
👉 approves ‘Strasbourg Agreement’
👉 continues no-deal preparations

— Donald Tusk (@eucopresident) March 21, 2019

Zudem halfen die 27 Staats- und Regierungschefs May aus der Patsche: Sie werteten Versprechen, die Juncker ihr am 11. März in Straßburg gegeben hatte, durch Zustimmung auf. Durch die Zusagen mit „rechtlich bindendem Charakter“ soll der von Brexit-Hardlinern verhasste „Backstop“ (Notfallklausel zu offener Irland-Grenze) noch unwahrscheinlicher werden als ohnehin.

Der Brexit-Ball liegt damit wieder bei Unterhaus-„Speaker“ John Bercow. Der hatte unter Verweis auf Präzedenzfälle aus dem Jahr 1604 eigentlich ausgeschlossen, dass May ihr Abkommen zum dritten Mal vorlegt. Doch durch die sogenannte „Straßburg-Vereinbarung“ ist eine neue Lage entstanden. Ob und wann die Abstimmung stattfindet, ist noch unklar.

May will jedoch sofort an einer Mehrheit arbeiten. „Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass wir jetzt am Punkt der Entscheidung sind“, sagte May. Für ihre als anmaßend und arrogant empfundene TV-Ansprache an die Nation, in dem sie dem Unterhaus die Alleinschuld am Brexit-Chaos gegeben hatte, entschuldigte sich May halbherzig: „Gestern Abend habe ich meine Frustration zum Ausdruck gebracht. Ich weiß, dass die Abgeordneten auch frustriert sind. Sie haben schwierige Aufgaben zu erledigen.“

May musste beim Abendessen draußen bleiben

Insider berichteten von einer „Detail-Schlacht“ zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Weil die Zeit bei Weitem nicht ausreichte, wurde beim Abendessen weiterdebattiert. Eigentlich sollte es um die künftigen Beziehungen zu China gehen und May sollte letztmals im Kreis der 28 dabei sein.

Es wurde doch ein „Dinner for one“: May musste stundenlang in einem fensterlosen Delegierten-Raum warten. Immerhin bekam sie dort das gleiche Essen: Grüne Linsenterrine mit Kaiserhummer, Entenküken à l’orange mit Pastinaken-Schaum und glasierte Karotten, Schokoladenvariationen.

Kanzlerin Angela Merkel wirkte am Ende der langen Verhandlungen zufrieden, sagte: „Wir wollen Theresa May unterstützen in ihrem Anliegen. Das haben wir auch zum Ausdruck gebracht.“ Und fügte hinzu: „Insofern würde ich sagen, es war ein sehr intensiver, aber auch sehr erfolgreicher Abend.“

Auch EU-Ratschef Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigten sich erleichtert über den einstimmigen Beschluss der 27 bleibenden EU-Länder.

Chaos-Brexit droht weiterhin

Mit dem Gipfel-Beschluss ist ein Chaos-Brexit aber nicht vom Tisch!

▶︎ Tusk sagte, wenn die Briten nicht bis zum 12. April eine Teilnahme beantragten, werde ein weiterer Aufschub „automatisch unmöglich“.

▶︎ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einem „Vakuum“ in Westminster, lästerte über die Unfähigkeit der Politiker in London, den Willen des Volkes umzusetzen: „Wir haben den Briten klar gemacht: Wenn Ihr bis zu diesem Termin keine Wahlen organisiert, dann könnt Ihr nicht mehr dabei sein.“

EU verliert Geduld

Nach mehr als zwei Jahren Verhandlungen mit London wächst der Frust innerhalb der EU. Zumal May laut Indiskretionen auch nach dreimaliger Nachfrage nicht sagen wollte, wie ihr weiteres Vorgehen ist, wenn sie die dritte Abstimmungsrunde erneut krachend verliert.

„Jeder ist ungeduldig“, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. „Aber unsere persönliche Einstellung sollte nun keine Rolle spielen … wir müssen in den nächsten acht Tagen einen kühlen Kopf bewahren.“

EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte: „Wir haben unser Bestes gegeben. Die Lösung liegt nun in London.“

2,3 Millionen Unterschriften gegen den Bexit

In der britischen Hauptstadt bereitet man sich zunächst auf einen Ansturm der Brexit-Gegner vor: Eine Million Teilnehmer werden bei einer Demo für ein zweites Referendum erwartet. Und bis zum Morgen unterzeichneten 2,3 Millionen Briten eine Online-Petition für den EU-Verbleib an das Parlament.

Rein rechtlich kann die britische Seite den Antrag zum Austritt aus der EU („Artikel 50“) bis zur letzten Minute zurückziehen.

Gleichzeitig berichtet die „Sun“ über eine neue Rebellion der konservativen Tories gegen Theresa May mit dem Ziel, sie zum Rücktritt zu drängen.

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